Kapitel 1
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"Die Nachbarsfrau, die mir Milch brachte, erkannte ich kaum mehr. Das war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. Aber schlimmer als diese Verwandlungen der Außenwelt ins Groteske waren die Veränderungen, die ich in mir selbst, an meinem innersten Wesen spürte. Alle Anstrengungen meines Willens, den Zerfall der äußeren Welt und die Auflösung meines Ich aufzuhalten, schienen vergeblich. Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meinem Körper, von meinen Sinnen und von meiner Seele Besitz ergriffen. Ich sprang auf und schrie, um mich von ihm zu befreien, sank dann aber wieder machtlos in das Sofa. Die Substanz, mit der ich hatte experimentieren wollen, hatte mich besiegt. Sie war der Dämon, der höhnisch über meinen Willen triumphierte. Eine furchtbare Angst, wahnsinnig geworden zu sein, packte mich. Ich war in eine andere Welt geraten, in andere Räume mit anderer Zeit. Mein Körper erschien mir gefühllos, leblos und fremd. Lag ich im sterben? War das der Übergang?"
Albert Hoffmann über seinen Selbstversuch mit LSD
"Rund 100 Milliarden Nervenzellen kommunizieren im menschlichen Gehirn miteinander. Pausenlos tauschen sie biochemische Signale aus. Durch 100 Billionen Synapsen untereinander verdrahtet formen sie ein Gebilde unvergleichbarer Komplexität: die Anzahl der theoretisch möglichen Kombinationen aller Kontakte, Grundlage der Hirnfunktionen, ist größer als die Gesamtzahl aller Atome im Universum."
"Medizin von Morgen" (Spiegel 19/2000)
Diese Semesterarbeit behandelt das Rauschmittel LSD. In dieser Arbeit ist der Hauptaspekt ein biologisches Thema, nämlich die Wirkung von LSD auf den menschlichen Organismus. Damit verbunden sind darüber hinaus der Nutzen und die Gefahren der (nicht-) medizinischen Anwendung. Neben der Erläuterung dieser biologisch-medizinischen Hauptaspekte lege ich ebenfalls Wert auf die Abhandlung der Geschichte, Verbreitung und der Verbindungen zu Kunst und Religion. Ich denke, dass einer Semesterarbeit dieser umfangreichere Überblick gestattet ist.
Die biologischen Aspekte sind aufgrund des Oberthemas LSD als Rauschmittel human-medizinischer Art. Ich lege vor allem Wert auf die genaue Beschreibung der Wirkung von LSD auf bestimmte Abschnitte des menschlichen Gehirnes und das Verhalten von berauschten Personen. Ich behandle damit neurophysiologische und ethologische (neuro-psychologische) Aspekte der Biologie. Neben diesen Themen gebe ich einen Einblick in die allgemeine Pharmakologie (des LSD).
Die eigentliche Problemstellung bezieht sich – wie es in einer Semesterarbeit des Biologie-Leistungskurses sein sollte - auf ein biologisches Problem. Dieses soll hier erläutert werden, da es das Grundgerüst der Arbeit an den biologischen Aspekten dieser Semesterarbeit bildet:
LSD ist ein potentes Halluzinogen. Seine volle Wirkung entfaltet sich ausschließlich im Zentralnervensystem des menschlichen Organismus. Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Wirkung von LSD auf das Zentralnervensystem des Menschen zu erläutern. Dazu ist es notwendig, zuerst die von LSD innervierten (beeinflussten) Abschnitte des Gehirnes in ihrer ursprünglichen Funktion zu erläutern, um dann auf die von LSD hervorgerufenen Effekte schließen zu können. Hier stellt sich die Frage: "Kann man über den Einfluss von LSD auf die neuronalen Strukturen, den Neuronen und Synapsen auf die im Rauschzustand veränderten Wahrnehmungen und komplexen Verhaltensweisen schließen?" Die Antwort lautet einfach: "Nein. Das ist nicht möglich!". Unzählige auf diesem Gebiet forschende Wissenschaftler haben es bis heute noch nicht geschafft, Bezüge dieser Art herzustellen. Ich betrachte in dieser Arbeit demzufolge zwei unterschiedliche Bereiche des Gehirns: Den "Mikrokosmos", die Struktur und Funktion einzelner, kleinster Abschnitte des Gehirns und gleichzeitig den neurophysiologischen "Makrokosmos", die komplexen psychologischen Zustände des Menschen wie zum Beispiel Psychosen oder Neurosen. Und in beiden Bereichen kann man die Wirkung von LSD beschreiben. Einerseits die Wirkung auf Neuronen, Synapsen oder funktionellen Abschnitte des Gehirns und die Auswirkungen auf den Organismus, wie zum Beispiel einen verlangsamten Herzschlag. Andererseits beschreibe ich die vielfältigen Wahrnehmungen, das Glücksgefühl oder die nackte Angst während eines Rauschzustandes.
Und die Frage bleibt: "Wenn LSD ein bestimmtes Organ des Gehirnes beeinflusst, lassen sich Bezüge von diesem und anderen Organen zu komplexen Gefühlen und Verhaltensweisen herstellen?" Und hier setzt mein eigentliches Ziel ein. Ich möchte, soweit es mir aufgrund der vorliegenden medizinischen Fakten möglich ist, zwischen dem Mikrokosmos und dem Makrokosmos unseres Gehirns funktionelle Bezüge herstellen.
Die Funktion der von LSD innervierten Abschnitte des Gehirns, oder was sich an einer berauschten Person beobachten lässt zu beschreiben, ist nicht schwierig. Jedoch ist es wesentlich komplizierter, die eben genannten konkreten Bezüge herzustellen. Und so hoffe ich in dieser Arbeit diese Bezüge und Argumente für die Richtigkeit dieser Bezüge klar, einleuchtend und richtig darstellen zu können.
Die Arbeit ist besteht aus zwei ineinander übergehenden Teilbereichen: Einerseits aus den Hauptthemen der Biologie und andererseits aus den gesellschaftlichen Aspekten des LSD. Daher habe ich folgenden Aufbau für die Semesterarbeit vorgenommen:
Im ersten Kapitel "Die Chemie des LSD" gebe ich einen Überblick über die chemischen Eigenschaften, die Giftigkeit und die Herstellungsverfahren von LSD. Danach beschreibe ich im Kapitel "Geschichte" die Entdeckung und Verbreitung von LSD auf legalem wie illegalem Wege.
Nach dieser Einführung beginnt der (biologische) Hauptteil der Arbeit, nämlich die Kapitel "Transmittersubstanzen, Rezeptoren und Verhalten" sowie "Wirkung von LSD auf den menschlichen Organismus". Am Ende des letztgenannten Kapitels befindet sich eine Stellungnahme zu der im vorherigen Abschnitt angefertigter Problemstellung. Außerdem findet sich eine Beschreibung von (zwei) anderen wichtigen Rauschgiften, um einen Vergleich im abschließenden Fazit deutlicher werden zu lassen.
Danach wird die Anwendung von LSD zu medizinischen und nicht-medizinischen Zwecken besprochen, wobei die vorher besprochenen biologischen Aspekte verarbeitet werden und Aspekte der Psychologie, Soziologie, Kunst und Religion mit einfließen.
Abschließend werden die gesetzlichen Bestimmungen zu LSD erläutert, um zu verdeutlichen, welche Sicht die Regierungen der Staaten über die Gefährlichkeit von LSD haben.
Im letzten Kapitel "Folgerungen und Fazit" frage ich nach dem Nutzen und der Bedeutung in der Medizin und nach der Rolle in der Gruppe der Rauschgifte. Bei erstgenanntem Aspekt wird noch einmal die Lösung zur eben genannten Problemstellung aufgegriffen, da sie dort noch einmal Bedeutung hat.
Im Anhang findet sich noch ein zu den biologischen Kapiteln gehörendes Glossar, welches viele anatomischen und neurologischen Begriffe sowie kurze Definitionen von Neurose und Psychose enthält.